Dürfen Gehörlose Auto fahren?

Kurze Antwort: Natürlich!

Lange Antwort: Natürlich gab es eine Zeit, wo das Autofahren für Gehörlose verboten war, sie keinen Führerschein machen durften. Das ist längst Geschichte. Heutzutage ist es selbstverständlich! Trotzdem kommt als erste automatische Ergänzung bei Google unter „Dürfen Gehörlose…“ der Vorschlag: „… Auto fahren?“ Dazu kann man nur sagen, dass auch hier, wie in vielen anderen Lebensbereichen, das Akustische dramatisch überbewertet wird. Natürlich hört ein tauber Mensch es nicht, wenn ein Rettungswagen die Sirene heulen lässt. Er hört auch das Hupen wartender Autos hinter sich nicht. Dafür sind die meisten Gehörlosen von Natur aus viel aufmerksamer, habe ein erweitertes Sichtfeld und nehmen visuelle Reize schneller wahr. So kann es vorkommen, dass Sirenen schon lange, bevor sie laut werden, sichtbar sind, oder erhöhte Aufmerksamkeit sich in einer defensiveren Fahrweise bemerkbar macht. Alles Vorteile, oder? Und dann gibt es ja auch die Lichthupe, die gegenüber der akustischen Hupe den Vorteil hat, dass sie einem bestimmten Auto direkt zuzuordnen ist.

Foto: monkeybusiness / Envato Elements

Sicher, vor der Anmeldung zur Führerscheinprüfung muss eine taube Fahranfängerin sich von einer HNO-Ärztin ein Attest ausstellen lassen, aber das dient nur dazu, andere Beeinträchtigungen auszuschließen, etwa des Gleichgewichtssinnes. Trotzdem eine Benachteiligung gegenüber Hörenden, die dieses Attest nur im Ausnahmefall benötigen. Dafür gibt es Vergünstigungen zum Beispiel bei der Steuer oder beim Neuwagenkauf.

Ein tatsächlicher Nachteil könnte sein, dass taube Menschen nicht hören, wenn sie in einem zu niedrigen oder zu hohem Gang fahren. Aber auch das kann man an der Drehzahl sehen oder ein Automatik-Auto nehmen. Nichtsdestotrotz führt das bei manuell schaltenden Autos unter Umständen zu einem höheren Verschleiß und Kraftstoffverbrauch, was aber nichts an der grundsätzlichen Fahrtauglichkeit ändert. Alles andere wird durch häufige Blicke in Rück- und Seitenspiegel ausgeglichen und durch eine generelle stärkere Aufmerksamkeit. Oder wurde schon mal einer hörenden Person die Fahrerlaubnis entzogen, weil sie das eingebaute — also für den Einsatz im Straßenverkehr vorgesehene — Radio zu laut aufgedreht hatte und so nichts anderes als die Musik hören konnte? Eben, der Straßenverkehr ist auch rein visuell erfahrbar.

In Zukunft täten Hörende sowieso gut daran, sich an Taubheit im Straßenverkehr zu gewöhnen: Elektroautos sind fast lautlos, und so lange sie keine Lautsprecher eingebaut haben, die Warngeräusche von sich geben, haben Gehörlose dank jahrelanger Übung einen entscheidenden Vorteil: Für sie ist das Elektroauto genauso lautlos wie eins mit Verbrennungsmotor. Wird man also in Zukunft, wenn Verbrennungsmotoren verboten sind (wie Norwegen es schon vorhat) Gehörlose daran erkennen, dass sie sich nicht vor elektrischen Autos erschrecken, wenn sie plötzlich vor ihnen auftauchen?

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