Das stimmt. Wenn eine taube Person eine neue Arbeit anfängt, gibt es oft erstmal Berührungsängste: Wie soll man mit der neuen Mitarbeiterin umgehen, die nicht oder komisch spricht? Doch wenn der Kontakt erstmal da ist, bricht das Eis in der Regel schnell. Statt des Telefonats schreibt man E-Mails oder geht persönlich vorbei und versucht es mit Papier und Stift. Vielleicht bezahlt der Betrieb sogar Gebärdensprachkurse als interne Weiterbildung?
Für Teamsitzungen und Besprechungen werden Dolmetscher:innen für Deutsche Gebärdensprache und Deutsch vom Amt bezahlt. Dafür muss nur ein entsprechender Antrag beim Integrationsamt oder Arbeitsamt gestellt werden. Insofern sollte die Kommunikation kein Problem sein.
Ähnlich ist es bei Selbstständigen, wobei hier natürlich der Ermessensspielraum der Sachbearbeiter eine Rolle spielt. Ein Bundesland weiter kann die Bewilligung schon schleppender vorangehen, während da, wo man lebt, schnell große Summen bereitgestellt werden. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Gelder von Betrieben eingenommen werden, die keine oder zu wenig Behinderte einstellen und deshalb eine Art Strafsteuer zahlen müssen. Diese Einnahmen bilden dann den Topf, aus dem Arbeitsassistenz und Dolmetscher:innen bezahlt werden. Das System hat eine große Schwachstelle: Arbeiten in allen (oder vielen) Betrieben Behinderte, dann gibt es keine Einnahmen mehr und somit keine Gelder, um die Beschäftigung dieser Behinderten zu ermöglichen. Ein Teufelskreis, für den es momentan noch keine Lösung gibt.
Die größte Hürde ist auf jeden Fall erstmal die Jobsuche. Dabei ist der Widerwillen der Betriebe, Behinderte einzustellen (besserer Kündigungsschutz, Aufwand bei der Anpassung des Arbeitsplatzes, Umstellung der internen Abläufe) nur ein Faktor. Schwierig macht die Jobsuche auch die mangelhafte Qualifikation vieler Gehörloser, die eine Folge der lautsprachlich orientierten Erziehung und des schlechten Bildungssystems für Behinderte ist. Doch auch abgesehen davon kommen viele Jobs über persönliche Kontakte zustande. So unsichtbar wie im Alltag sind Gehörlose auch auf dem Arbeitsmarkt. Die Gesetzgeberin versucht das durch entsprechende Gesetze zu ändern, etwa durch die Ausgleichsabgabe. Stellt eine Firma nicht genügend Behinderte ein, muss sie Strafe zahlen. Doch die Strafe ist so gering angesetzt, dass viele Firmen lieber die Ausgleichsabgabe zahlen: Ein Viertel aller Unternehmen beschäftigt keinen einzigen schwerbehinderten Menschen. Aus der Ausgleichsabgabe wird übrigens die Unterstützung für die Behinderten bezahlt, die Arbeit haben. Braucht also ein Blinder ein Braillelesegerät oder ein Rollstuhlfahrer eine Rampe, kommen die Kosten aus der Ausgleichsabgabe. Mal angenommen, alle Firmen würden Behinderte einstellen, dann müsste niemand die Ausgleichsabgabe zahlen und es gäbe auch kein Geld, die Behinderten im Job zu unterstützen. Das System setzt also fest darauf, dass nicht jede Firma Behinderte einstellt.