Immer wieder ist in Medien von „Gebärdendolmetscher“ oder „Gebärdendolmetscherinnen“ die Rede. Aber Gehörlose sprechen keine „Gebärden“, sie sprechen eine (oder mehrere!) Gebärdensprachen. Richtig – und auch korrekt entgendert – müsste es also „Gebärdensprachdolmetschende“ oder „Gebärdensprachdolmetscher*innen“ heißen.
Auch diese Bezeichnung ist innerhalb der Gebärdensprachgemeinschaft nicht unumstritten, denn Gebärdensprachdolmetschende und Übersetzende arbeiten nicht nur mit einer Sprache, sondern (meistens) mit zwei Sprachen – zum Beispiel mit Deutsch und Deutscher Gebärdensprache. Gelegentlich werden auch englische Vorlesungen an Universitäten in die Deutsche Gebärdensprache übersetzt. Oder Türkische Gebärdensprache in Deutsche Gebärdensprache.
Zum anderen ist die Bezeichnung „Gebärdensprache“ sehr allgemein und keine Bezeichnung für eine Sprache. Es gibt keine Sprache namens „Gebärdensprache“. Eine Gebärdensprache ist eine visuell wahrnehmbare Form von Sprache. Die vollständige und korrekte Bezeichnung der Sprache, die viele taube Menschen in Deutschland verwenden, ist Deutsche Gebärdensprache (immer Großschreibung).
Bei „Lautsprachdolmetschenden“ wird auch immer gesagt, welche Sprache verdolmetscht wird. Es gibt keine Dolmetschende für „Sprache“ allgemein, sondern für z.B. Englisch und Deutsch. Es gibt daher auch keine Dolmetschende für „Gebärdensprache“ allgemein. In diesem Sinne ist „Gebärdensprachdolmetschen“ ziemlich ungenau. Diese Bezeichnung stützt auch die Vorstellung, dass die Gebärdensprache universell sei. Gebärdensprache ist nicht wirklich international. In Deutschland sprechen viele taube Menschen in Deutscher Gebärdensprache. In Österreich in Österreichischer Gebärdensprache. Es gibt über zweihundert Gebärdensprachen weltweit. Keine dolmetschende Person beherrscht alle Gebärdensprachen.
Die korrekte Bezeichnung wäre zum Beispiel: Dolmetschende für Deutsche Gebärdensprache und Deutsch. Auch: Dolmetschende für Deutsche Gebärdensprache, Französischer Gebärdensprache, Französisch, Deutsch und Englisch. Nicht: Gebärdendolmetscher, Gebärdendolmetscherinnen.
Bei Veranstaltungen in Deutschland werden eher nur Dolmetschende für Deutsche Gebärdensprache und Deutsch gebucht und eingesetzt. Oft ist zudem davon die Rede, dass „für die Gehörlosen“ oder „für die Tauben“ gedolmetscht wird. Das ist ebenfalls nicht die ganze Wahrheit. Für kommunikative Barrieren braucht es immer zwei Seiten. So wird also genau genommen für hörende, die Gebärdensprache nicht sprechen könnende Menschen ebenfalls gedolmetscht, auch wenn die Gehörlosen diejenigen sind, die im Publikum sitzen. Oder einen Vortrag vor Menschen, die keine Gebärdensprache sprechen, halten. So ist „Gebärdensprachdolmetschen“ auch in dem Sinne irreführend, dass es eben nicht nur um Gebärdensprache allein geht.
Allerdings ist es gesetzlich so geregelt, dass nur taube und schwerhörige Menschen aufgrund ihrer Behinderung Rechtsanspruch auf Finanzierung von Dolmetschenden haben. Hörende Menschen können Dolmetschende bestellen, aber müssen sie aus eigener Tasche finanzieren. Wie bei allen anderen Dolmetsch- und Übersetzungsdienstleistungen in alle anderen Sprachen auch.